Die Gedanken eines Feuerwehrmannes / einer Feuerwehrfrau


Auszug aus einer Rede des Landesbrandmeisters Uwe Eisenschmidt




Ich wünschte, Du könntest die Frustration im Führerhaus eines Löschfahrzeuges fühlen, der Maschinist drückt auf die Bremse, mein Daumen drückt wieder und wieder den Schalter des Martinshornes, wenn Du vergeblich versuchst, Dir Vorfahrt an einer vorfahrtberechtigten Kreuzung zu verschaffen.


Ich wünschte, Du könntest meine Gedanken lesen, wenn ich zu einem Feuer gerufen werde: Ist es falscher Alarm oder ein fortgeschrittenes Feuer? Welche Gefahren erwarten uns? Sind Menschen eingeschlossen?


Ich wünschte, Du könntest fühlen, wie es ist, ein brennendes Schlafzimmer nach vermißten Kindern abzusuchen, die Flammen schlagen über Deinen Kopf hinweg; während des Kriechens schmerzen Deine Handflächen und Knie, der Fußboden gibt unter Deinem Gewicht nach, weil das Zimmer unter Dir zu brennen anfängt.


Ich wünschte, Du könntest verstehen, wie es ist, einen kleinen Jungen auf Deinem Arm zu tragen, der fragt, "Ist meine Mama O.K.?", und es ist Dir unmöglich, ihm in die Augen zu schauen, ohne dass Dir die Tränen in die Augen steigen und weißt nicht, was du sagen sollst. Oder wie es ist, einen alten Freund zurückzuhalten, der mit ansehen muss, wie sein bester Kumpel in den Rettungswagen getragen wird, und Du weißt genau, dass er nicht angeschnallt war.


Ich wünschte, Du könntest die Furcht in den Augen einer Frau um 3 Uhr morgens sehen, wenn ich ihrem 40 Jahre alten Ehemann den Puls fühle und keinen finde. Ich beginne mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung, hoffe wider besseres Wissen, ihn zurückzuholen; aber ich weiß, daß es zu spät ist. Aber seiner Frau und seiner Familie muß ich das Gefühl geben, dass alles Mögliche getan wurde.


Ich wünschte, Du könntest in der Notaufnahme dabei sein, wenn der Arzt das hübsche 5 Jahre alte Mädchen für tot erklärt, nachdem ich zuvor 25 Minuten lang versucht habe, es am Leben zu erhalten. Sie wird nie zu ihrem ersten "Date" gehen können oder jemals wieder die Worte "Ich liebe Dich, Mama" sagen können.


Ich wünschte, Du könntest meine Gedanken lesen, wenn ich helfe, eine junge Frau aus den zertrümmerten Resten ihres Wagens zu ziehen. Was wäre, wenn es mein Kind, meine Schwester, meine Freundin oder meine Bekannte ist? Wie werden ihre Eltern reagieren, wenn vor ihrer Tür ein Polizist steht, der seine Mütze in der Hand hält.


Ich wünschte, Du könntest wissen, wie es sich anfühlt, nach Hause zu kommen, meine Familie zu begrüßen, aber nicht das Herz zu haben, ihr zu erzählen, daß ich beinahe von meinem letzten Einsatz nicht zurückgekommen wäre.


Ich wünschte, Du könntest verstehen, wie es ist, am Morgen zur Arbeit zu gehen, nachdem Du den Großteil der Nacht, heiß und naßgeschwitzt, bei einem Großfeuer verbracht hast.


Ich wünschte, Du könntest die Kameradschaft und die Befriedigung erfahren, Leben gerettet oder jemandes Eigentum geschützt zu haben. Da zu sein zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der Gefahr oder aus der Hektik und dem Chaos heraus Ordnung zu schaffen.


Solange Du dieses Leben nicht selber durchgemacht hast, wirst Du nicht wirklich verstehen oder einschätzen können, wer wir sind und was unsere Aufgabe uns wirklich bedeutet.




Erstellt: 27. Januar 2003 · © tokro